Benetton-Fotograf Toscani: “Pullover sind mir scheißegal!” (interview in German spiegel.de / 29.06.2015)
Postato il 29.06.2015 da write@toscani.com Commenti Commenti disabilitati su Benetton-Fotograf Toscani: “Pullover sind mir scheißegal!” (interview in German spiegel.de / 29.06.2015)Darf man mit Aidskranken und ölverschmierten Enten für Klamotten werben? 1995 verbot der BGH drei Benetton-Motive. “Tattergreise!”, schimpft Fotograf Oliviero Toscani – und verrät, warum die Welt ihm, dem Künstler, zu Dank verpflichtet sein muss. Ein Interview von Katja Iken
einestages: Herr Toscani, welche Schuhgröße tragen Sie?
Toscani: 44. Warum?
einestages: Die Interview-Fragen einer Kollegin haben Sie 2009 so aufgeregt, dass Sie ihr vorschlugen, nach der Größe Ihrer Schuhe zu fragen, mit der Sie der Welt gern in den Hintern treten möchten.
Toscani: Ach so (lacht). Naja. Zeitungen sind halt wie Eisdielen. Und Ihr Journalisten seid die Eisverkäufer, die oft zu platte Wahrheiten verkaufen, dumme Fragen stellen.
einestages: Schauen wir mal, wie weit wir kommen. Wann hatten Sie das erste Mal eine Kamera in der Hand?
Toscani: Ich war fünf, als mein Vater mir eine schenkte. Es war eine “Ferrania Rondine”.
einestages: Ihr Vater war Fotojournalist für den “Corriere della Sera”. Er hat großen Mut bewiesen – etwa mit dem Schnappschuss des pinkelnden Diktators Benito Mussolini. Warum sind Sie nicht in seine Fußstapfen getreten anstatt für die Werbung zu arbeiten?
Toscani: Ich bin kein Werbe-Fotograf! Ist das klar? Haben Sie jemals von mir ein Foto von Keksen, Autos oder Kleidungsstücken gesehen? Nie! Pullover sind mir scheißegal. Das ganze System Werbung ist ein System von Idioten, gemacht für Idioten. Die machen leere Versprechen und schlagen Profit aus der menschlichen Schwäche. Aus dem Prinzip der Verführung. Aus allem, was absurd ist.
einestages: Aber Sie können ein System doch nicht verurteilen, von dem Sie wunderbar gelebt haben.
Toscani: Wie bitte? Die haben gut von mir gelebt! Ich war sehr großzügig mit der Werbung. Ich habe vielen Werbern beigebracht, weniger dumm zu sein.
einestages: Zurück zur Frage: Warum sind Sie kein Fotojournalist geworden?
Toscani: So war ich freier – und habe die Welt viel mehr beeinflusst. Wissen Sie: Es gibt nichts Einfacheres als Kriegsberichterstatter zu sein. Man kommt hin und alles ist schon da: Blut, Rauch, Feuer, Tote. Man muss nur noch auf den Auslöser drücken. Was ein Henri Cartier-Bresson gemacht hat, war das einfachste der Welt.
einestages: Wie bitte?
Toscani: Solche Fotos knipst man doch sonntags. Mein Beruf ist hingegen einer, der mit Vorstellungskraft zu tun hat. Ein kreativer Prozess. Was ich mache, ist Kunst. Eine Gegenkultur zur herkömmlichen Werbung.
einestages: Fand ihr Vater das auch? Ihren ersten Skandal hat er ja noch mitbekommen.
Toscani: 1974 fotografierte ich den Hintern meiner damaligen Freundin, der in einer Jeans-Hotpants der Marke “Jesus” steckte. Mein Vater fand das gut. Er war glücklich, dass ich verstanden hatte, wie Kommunikation funktioniert.
einestages: Auf dem notdürftig verhüllten Po prangte das Bibelwort: “Wer mich liebt, der folge mir nach”, Feministinnen und Gläubige waren außer sich. Machen Sie sich gern Feinde?
Toscani: Kritik ist doch immer interessant. Das Problem beginnt, wenn einer mir sagt: Du hast recht. Dann denke ich sofort: Irgendwas habe ich falsch gemacht.
einestages: Die provokanten Benetton-Kampagnen haben die Frage aufgeworfen: Wie weit darf Werbung gehen?
Toscani: Ach Quatsch. Was heißt denn hier Werbung? Werbung ist alles und darf alles! Auch die Sixtinische Kapelle ist Werbung. Geschaffen von Michelangelo: einem Genie, der im Übrigen nicht mal an seinen Arbeitgeber, die Kirche, glaubte.
einestages: Sprechen wir über Ihre Benetton-Motive. Woher stammt die Kampfmontur des toten kroatischen Soldaten?
Toscani: Ich fragte beim Deutschen Roten Kreuz nach und auch in Jugoslawien. Im Februar 1994 erhielt ich ein Paket. Der Vater von Marinko Grago stellte mir die Kleidung seines gefallenen Sohnes zur Verfügung.
einestages: Warum die blutbesudelte Kampfmontur, das T-Shirt mit dem Einschussloch? Die Menschen waren entsetzt.
Toscani: Klar. Ich zeigte einen Krieg, den keiner wahrhaben wollte, obwohl er sich mitten in Europa abspielte. Und wie stelle ich ein solches Problem dar? Ich präsentiere die Kleidung ohne den Körper. Die Kampfmontur ist ein Symbol.
einestages: Genau wie der Hintern mit der Tätowierung “H.I.V. positive”. Was haben Sie damals den Aids-Aktivisten entgegnet, die Ihnen vorwarfen, die Krankheit zu verhöhnen?
Toscani: Aids-Aktivist oder Schwarzer zu sein, bedeutet noch nicht automatisch, dass Du immer Recht hast. Die Leute sollten mir dankbar sein für den Diskurs, den ich angestoßen habe.
einestages: Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Profit aus dem menschlichen Elend ziehen zu wollen? 1995 kassierte der deutsche Bundesgerichtshof drei Ihrer Motive mit der Begründung, sie seien sitten- und wettbewerbswidrig.
Toscani: Zensur hat sich immer als idiotisch erwiesen. Ich habe nie die Misere vermarktet. Genauso wenig, wie das ein Arzt tut, der davon lebt, andere Menschen vom Krebs zu heilen. Mein Anliegen war es, Tabus aufzugreifen, die viele Menschen bewegen.
einestages: Manche Fotos stammen gar nicht von Ihnen, sondern von Reportern, etwa die Aufnahme des sterbenden Aidskranken. Wie haben Sie die Fotografen davon überzeugt, ihre Werke zu kommerziellen Zwecken zu benutzen?
Toscani: Die Leute haben Geld bekommen, manche auch viel (lacht). Sie waren einverstanden mit meinem Prinzip: Ich habe kaum beachtete Fotos im Kontext der Werbung zitiert – und plötzlich haben alle hingeschaut. Der Bildhauer Michelangelo hat auf der von ihm entworfenen Piazza del Campidoglio in Rom ja auch keine selbst geschaffene Statue aufgestellt, sondern eine römische.
einestages: 1996 haben Sie die Mitarbeiter von Benetton in Zwangsjacken gesteckt und abgelichtet. Eine Art öffentlicher Kniefall?
Toscani: Im Gegenteil! Das Ganze war eine reine Spaß-Aktion. Wir wollten eine große, exzentrische Familie zeigen.
einestages: Im Jahr 2000 schockierten Sie die Öffentlichkeit mit Plakaten von zum Tode verurteilten US-Häftlingen. Wie war es, die Menschen in den Gefängnissen zu fotografieren?
Toscani: Es glich einer Zeitreise ins Mittelalter, das war eine sehr wichtige Erfahrung für mich. Ich habe drei Jahre dafür gebraucht.
einestages: Wie haben die Todeskandidaten reagiert, als sie erfuhren, dass ihr Konterfei demnächst für Strickwaren wirbt?
Toscani: Mamma Mia, hier geht es doch nicht um Klamotten! Die Firma Benetton war Sponsor des Projekts, mehr nicht. Und die Todeskandidaten haben sich über Besuch gefreut. In einer solchen Situation spendet es Trost, wenn jemand sich für dich interessiert.
einestages: Seit jener Kampagne gehen Sie und Benetton getrennte Wege. Passen Kommerz und Provokation doch nicht zusammen?
Toscani: Ich hatte bereits drei Jahre zuvor entschieden zu gehen. Es war an der Zeit, neue Dinge anzupacken…
einestages: …um auf andere Weise die Welt zu verändern?
Toscani: Ich will doch nicht die Welt verändern! Ich mache das, was ich machen möchte und basta. Wenn die Menschen meine Aktionen nützlich finden, sollen sie drüber reden. Wenn nicht, sollen sie zur Hölle fahren!
einestages: Warum immer diese Wut? Ist das Ihr Motor?
Toscani: Welche Wut? Ich amüsiere mich doch nur.
einestages: Sie haben sich eine Zeitlang politisch für die italienischen Radikalen engagiert. Warum nicht mehr?
Toscani: Man verliert nur Zeit. Das System basiert auf Kompromissen, auf Mittelmäßigkeit. Und ich hasse Mittelmäßigkeit.
einestages: Ihre Lust am Skandal hat Sie auch nach der Benetton-Phase nicht verlassen. 2007 haben Sie Isabelle Caro abgelichtet, 1,64 Meter groß – und 31 Kilo leicht.
Toscani: Ich habe nicht sie fotografiert, sondern ein Phänomen. Ich wollte auf das Problem Anorexie aufmerksam machen. Hätte ich der Frau nur eine Maske aufgesetzt.
einestages: Damals warf Caro Ihnen vor, sie für Ihre Zwecke ausgenutzt zu haben. Was haben Sie geantwortet?
Toscani: Sie hat mir nie irgendetwas vorgeworfen. Ich habe sie doch berühmt gemacht. Vielleicht habe ich sogar ihr Leben ein wenig verlängert.
einestages: Selbstkritik ist nicht so Ihr Ding, oder?
Toscani: Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Außer, dass ich mit meinen Aktionen noch weiter hätte gehen können.
einestages: Sie hatten niemals Zweifel bei dem, was Sie taten?
Toscani: Doch, ständig. Zweifel sind extrem wichtig – um überwunden zu werden. Langfristig hat mir der Erfolg Recht gegeben. Ich habe Euer Herz und Euer Hirn berührt. Sogar das von den hohen deutschen Richtern, diesen Tattergreisen! Oder regt sich in Deutschland heute noch jemand über eine VW-Werbung von vor 20 Jahren auf?
“Keusch, aber nicht sehr keusch”: Das Kampagnenmotiv der küssenden Nonne und des jungen Geistlichen stammt aus der Benetton-Kampagne zur Herbst- und Winterkollektion 1991-1992. “Keusch, aber nicht sehr keusch”, beschrieb die italienische Wochenzeitschrift “L’Espresso” damals den Schmatzer, der Gläubige in aller Welt empörte.
“Skandalös”: Ein Baby, mit Blut und der sogenannten Käseschmiere bedeckt – für jede Hebamme ein ganz normaler Anblick. Doch sorgte auch diese Benetton-Kampagne 1991 international für Entrüstung. Die Worte “Boykott!” und “skandalös” sprühte ein Gegner in Frankreich auf das Werbeplakat.
Wider den Golfkrieg: Anfang 1991, zum Auftakt der “Operation Wüstensturm”, warb der Konzern Benetton mit dieser Aufnahme Oliviero Toscanis, die einen Soldatenfriedhof zeigt. Das Foto entstand auf einem der zahlreichen Soldatenfriedhöfe des Ersten Weltkriegs, gelegen am ehemaligen Frontabschnitt “Chemin des Dames”.
“Zynisch, schamlos und grässlich”: Ein blutverschmiertes Hemd mit Einschussloch, ein zerschnittener Gürtel, eine ebenfalls besudelte Camouflage-Hose – die Kleidung gehörte dem 1994 im Bosnienkrieg erschossenen Kroaten Marinko Grago. Oliviero Toscani hatte die Kampfmontur laut Eigenaussage im Februar 1994 per Post vom Vater des Toten erhalten. Als “zynisch, schamlos und grässlich” verurteilte Volker Nickel, damals Sprecher des Deutschen Werberats, das doppelseitige Anzeigenmotiv.
Juristisches Ping-Pong: Ab Herbst 1993 sorgte Oliviero Toscani abermals für erhitzte Gemüter – mit dem Foto eines nackten Hinterns, auf den die Lettern “H.I.V. positive” tätowiert waren. Die Idee dazu kam Toscani in den USA: Dort hatte er eine TV-Reportage über einen Jungen gesehen, der sich aus Protest gegen die Tabuisierung von Aids die Botschaft “HIV positive” auf den Arm tätowiert hatte und nackt zur Schule gegangen war. Nach einer Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs verbot der Bundesgerichtshof am 6. Juli 1995 nicht nur das “HIV”-Motiv…
…und jenes der ölverschmierten Ente, sondern auch…
…die Benetton-Anzeige mit den schwer arbeitenden Kindern. Die Begründung aus Karlsruhe: Die drei Motive nützten Gefühle des Mitleids für kommerzielle Zwecke aus und seien daher sitten- und wettbewerbswidrig. Auf das Verbot hin legte der Verlag Gruner + Jahr Verfassungsbeschwerde ein. Ende 2000 entschied das Bundesverfassungsgericht (Foto) und hob die Urteile auf, weil sie den Verlag in seiner Pressefreiheit verletzten. Der Fall ging zurück an den BGH, der das “HIV”-Motiv erneut verbot. Erneut legte Gruner + Jahr Verfassungsbeschwerde ein – 2003 nahm die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs die Klage schließlich zurück.
“Wir haben uns der Macht Benettons bedient”: Das Foto des US-amerikanischen Aidskranken David Kirby, der am 5. November 1990 im Kreise seiner Familie starb, stammt ursprünglich von der Fotografin Therese Frare – Oliviero Toscani erwarb für Benetton nur die Rechte. Die im Februar 1992 veröffentlichte Benetton-Kampagne sorgte weltweit für Entsetzen, die Öffentlichkeit warf dem Strickwarenkonzern vor, das Leid der Kirbys kommerziell auszunutzen. Die Familie des Aidskranken indes vertrat eine ganz andere Ansicht: “Wir haben uns der Macht und der Popularität Benettons bedient, damit die Öffentlichkeit aller Länder diese fürchterliche und unbekannte Krankheit, der niemand ins Gesicht zu schauen wagt, endlich zur Kenntnis nimmt und darüber spricht”, sagte der Vater Kirbys damals.
Blutrache in Palermo: Auch dieses Foto stammt nicht von Oliviero Toscani, sondern von Magnum-Fotograf Franco Zecchin. Es entstand 1983 und zeigt den Sizilianer Benedetto Grado, bei den Frauen auf der Aufnahme handelt es sich um Mutter und Schwester des Toten. Zecchin war damals mit der kommerziellen Umwidmung seines Fotos einverstanden: “Für mich ist wichtig, dass nicht in Vergessenheit gerät, was passiert ist, dass es die jungen Menschen wissen. Insofern ist es nützlich gewesen, dass das Foto auf großen Werbeflächen abgebildet war”, so Zecchin im Interview. Die Tochter des Toten hingegen verklagte Benetton.
Für ein friedliches Miteinander: Eine junge Israelin küsst einen Palästinenser – dieses Foto nahm Oliviero Toscani für den 1998 erschienenen Benetton-Modekatalog (Frühjahr/Sommer) auf. Mit Motiven wie diesen warb der italienische Konzern damals laut Presseabteilung für eine “friedliche Ko-Existenz in Israel”. Das abgelichtete Paar heiratete kurze Zeit nach der Aufnahme.
“In Wirklichkeit Engel”: 1998 sorgte Fotograf Oliviero Toscani mit dem von ihm entworfenen Benetton-Werbekatalog für eine Kontroverse, in der Kinder mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) gezeigt wurden. “Ich glaube, dass die behinderten Kinder und Erwachsenen in Wirklichkeit Engel sind”, hieß es damals im Katalog-Text.
Vereinigte Farben von Benetton: Ein weißes Baby, das von einer schwarzen Frau gestillt wird – mit dieser “United-Colors”-Werbekampagne trat Benetton im Jahr 1989 die ersten großen Debatten los. Vor allem in den USA sorgte diese Aufnahme für enormen Protest. Die Menschen warfen Oliviero Toscani vor, “rassistische” Werbung zu betreiben, indem er das alte Kolonialklischee der schwarzen Amme idealisiere – dabei hatte der Fotograf genau das Gegenteil beabsichtigt.
“Wer mich liebt, der folge mir nach”: Mit dieser Werbung von 1974 brachte Oliviero Toscani einst Feministinnen wie Gläubige gegen sich auf. Es zeigt einen nur notdürftig verhüllten weiblichen Po, der für Jeans der italienischen Marke “Jesus” wirbt. Der Reklametext für die Christenhose greift das Bibel-Wort auf und lautet: “Wer mich liebt, der folge mir nach.” Ein weiterer Slogan der Kampagne: “Du sollst keine anderen Jeans haben neben mir.” 2012 erschien ein Buch Toscanis mit diesem Cover – und dem Titel “Moriremo eleganti” (“Wir werden elegant sterben”).
Nein zur Anorexie: 2007 lichtete Oliviero Toscani die Französin Isabelle Caro ab, die unter Anorexie litt. Auf dem stark umstrittenen Plakat prangte der Slogan “No-Anorexia” (“Nein zur Magersucht”) – in Anlehnung an den Namen des italienischen Modelabels “Nolita”. Toscani und Nolita wollten damit ein Zeichen gegen Anorexie setzen. Während zahlreiche Gesundheitsexperten in Italien damals einen Nachahmungseffekt prophezeiten, befürwortete die damalige Gesundheitsministerin Livia Turco die Kampagne. Caro starb 2010 an einer Lungenentzündung.
Unter der Gürtellinie: 1993 tapezierte Oliviero Toscani auf der Biennale von Venedig gleich drei Wände mit seinen “United Colors of Sexes”. Die Darstellung von 56 menschlichen Genitalien, ob hell oder dunkel, groß oder klein, rasiert oder zugewuchert, sorgte erwartungsgemäß für einen Mix aus Unmut und Bewunderung. Einzig die französische Zeitung “Libération” veröffentlichte das Motiv damals als Werbeanzeige.
“Zeitreise ins Mittelalter”: Bobby Lee Harris (l.) und Jerome Mallett (r.) – zwei der von Oliviero Toscani porträtierten US-Häftlinge, die zum Tode verurteilt worden waren. Die im Jahr 2000 lancierte Benetton-Kampagne gegen die Todesstrafe sorgte insbesondere in den USA für Empörung. Fotograf Toscani hatte für die Kampagne verschiedene Gefängnisse aufgesucht, die Erfahrung beschreibt er im einestages-Interview als “Zeitreise ins Mittelalter”.
Anti-Mafia-Statement oder Vermarktung von Leid? 1991 veröffentlichte Benetton diese Aufnahme eines Autos, das vor einem italienischen Pizza-Bäcker in Flammen aufgeht. Das Credo Oliviero Toscanis: “Ich kratze die öffentliche Meinung dort, wo es sie juckt.”
“Ich bin nicht zynisch”: Firmenchef Luciano Benetton (l.) und Fotograf Oliviero Toscani präsentieren zwei der umstrittenen Werbeplakate – das eine thematisiert das Flüchtlingselend, das andere zeigt einen Soldaten, der hinter seinem Rücken einen menschlichen Oberschenkelknochen hält. Den Vorwurf, aus dem Elend der Welt Profit schlagen zu wollen, negiert Toscani in seinem Buch “Die Werbung ist ein lächelndes Aas” mit dem Satz: “Ich bin nicht zynisch, ich suche neue Ausdrucksmittel.”
Verfall von Moral? Ein schwarzer Hengst besteigt eine weiße Stute – 1996 versetzte Benetton mit diesem antirassistischen Anzeigenmotiv die Welt in Wallung. Zahlreiche Menschen fühlten sich von dem Anblick der sich paarenden Pferde provoziert – so auch der damalige Bürgermeister von Nizza, Jacques Peyrat. Er verbot die Werbung mit dem Hinweis, sie trage zum “Verfall von Moral und öffentlicher Ordnung” bei.
“Ich bin kein Werbe-Fotograf!”, betont Oliviero Toscani im einestages-Interview. Ein Soldat mit gepunktetem Helm und einem von Wollstreifen umwickelten Gewehr vor kunterbuntem Stacheldraht – erneut machte Benetton im Jahr 1995 mit einem Antikriegs-Motiv Reklame für Strickwaren.
29.06.2015
source: spiegel.de